Unikate von Menschen für Menschen: Die Jugendwerkstatt der Geschwister-Gummi-Stiftung fertigt und repariert Kleinmöbel, Spielzeug und ganze Kücheneinrichtungen. Welche Rolle dabei die die moderne Technik, ein großes Verständnis für die jungen Auszubildenden und die Restauration spielen.
Ein Esstisch nach Maß, ein Gründerzeitstuhl und eine Garderobe: In der Schreinerei der Jugendwerkstatt der Geschwister-Gummi-Stiftung werden Kleinmöbel, Spielsachen und ganz besondere Holzgegenstände gefertigt und repariert. Doch eines ist ihnen allen gemeinsam: Es sind Unikate. Die Einrichtung der Jugendhilfe hat sich dem traditionellen Handwerk verschrieben und ist auf diesem Niveau modern ausgestattet. Größere Industriemaschinen, wie etwa eine große CNC-Fräse, finden sich hier jedoch nicht. Dafür eine Vielfalt an Produkten, wie sie heute wohl selten ist. „Das ist wichtig, denn sonst würden die Jugendlichen vielleicht nicht dabei bleiben, wenn sie immer nur an ähnlichen Stücken arbeiten würden“, weiß der Leiter der Schreinerei, Sven Burmann.
CAD-Programm für Planung und Berechnung
Jeder Kundenauftrag, ob dies eine Maßanfertigung einer Eckbank eines Privatkunden oder die Reparatur eines Schaukelpferds einer Kinderwohngruppe der Geschwister-Gummi-Stiftung ist, bedarf einer komplexen Planung. Das Team aus derzeit acht Auszubildenden, Leiter Sven Burmann, Meisterin Anja Hösch, Tim Ohnemüller und weitere in der Schreinerei Beschäftigte fertigt zunächst nach den Kundenwünschen und technischen Rahmenbedingungen Skizzen an und überträgt diese in das komplexe CAD-Computerprogramm. Die Software zum rechnerunterstützten Konstruieren wird auch im Berufsschulunterricht der Jugendlichen verwendet und ihre Nutzung auch für die Planung der Gesellenstücke der Auszubildenden erwartet. „Früher wurde das noch mit Hand auf einer Platte gemacht“, erzählt Sven Burmann. Nach einer Prüfung werden die Pläne dann zunächst in ein Modell übertragen werden, ehe der eigentliche Fertigungsprozess für die Auszubildenden beginnt.
Ausbildungsplätze sind begehrt
Die moderne Technik bringe einerseits eine gewisse Arbeitserleichterung für das Team mit sich: Pläne von ähnlichen Aufträgen können kopiert und schnell modifiziert werden. Auf der anderen Seite sei aber zunächst viel Zeit und Aufwand nötig, um die Bedienung der Computerprogramme zu erlernen. „Und wenn dann die Technik noch manchmal stockt, ist das gerade für die Auszubildenden hart.“ Doch diese lassen sich davon scheinbar nicht abschrecken: Die Ausbildungsplätze in der Schreinerei seien sehr begehrt. Es hat sich herumgesprochen, dass die Jugendlichen hier eine individuelle Förderung auf wem Weg in die Arbeitswelt finden und vielfältige Unterstützung erhalten.
Restauration und Nachhaltigkeit
Auch zwei junge Frauen befinden sich momentan in der Ausbildung. Sie, aber auch ihre männlichen Kollegen finden den Arbeitsbereich der Restauration interessant. „Das ist eine Nische hier. Wir machen ab und zu kleinere Sachen“, berichtet Anja Hösch, die vor kurzem die Weiterbildung zum „Restaurator im Handwerk“ erfolgreich absolviert hat. Momentan bearbeitet sie beispielsweise einige Stühle aus der Gründerzeit, die der „Zahn der Zeit“ und etliche Eigenreparaturen der Besitzer geprägt haben. Dabei ist besondere Präzision gefragt: Alles, was man im Rahmen der Restauration beschädigt, ist unwiederbringlich verloren. Eine Restauration dauert daher an sich schon lange, doch auch die Anleitung verschiedener Auszubildenden lohnt sich, wenn diese die Arbeitszeit auch verlängert. Es ist die Neugier und der Wissensdurst nach alten Handwerksmethoden, die die Arbeit von Anja Hösch anziehend macht: Mit Olivenöl-Seife könne man beispielsweise hervorragend Beschläge reinigen anstatt sofort zu chemisch produzierten Mitteln zu greifen. Auch die Verwendung von Fischleim, zu der einst alte Handwerksmeister rieten, habe durch Anja Hösch wieder Einzug in die Arbeit der Jugendwerkstatt gefunden. Nachhaltigkeit und Detailtreue sind die Maxime. Auch die Fenster einer alten Lok in Neuenmarkt, die zunächst in ihre Einzelteile zerlegt, aufbereitet und wieder zusammengesetzt werden mussten, waren ein Highlight für die Auszubildenden der Schreinerei. Ein aussterbender Berufszweig? Anja Hösch ist sich sicher: „Solange Menschen Wert auf alte Sachen legen und diese zu schätzen wissen, wird es die Restauration geben.“
Unikate zu fairen Preisen
Doch auch im „normalen“ Schreiner-Alltag spielt Vielfältigkeit eine große Rolle: Jedes Möbelstück stellt das Team vor eine neue Herausforderung. Derzeit sind es neben Aufträgen von Stammkunden und Neuen jedoch vor allem die gestiegenen Materialkosten – verursacht durch die Pandemie. Preissteigerungen um oftmals 100 Prozent, separate Logistikkosten und fehlende Rabatte für Mengenbestellungen bereiten dem Team Kopfzerbrechen. „Wir wollen weiterhin unsere Unikate zu fairen Preisen an unsere Kunden verkaufen“, so Sven Burmann. „Und wir wollen, dass die Arbeit von, mit und für Jugendliche wertgeschätzt wird, denn sie leisten hier großartige Arbeit.“
Seit 1986 ist die Jugendwerkstatt der Geschwister-Gummi-Stiftung mit ihren Projekten zu einem festen Bestandteil der Jugendhilfe und der berufsbezogenen Qualifizierung von benachteiligten Jugendlichen im Landkreis Kulmbach geworden. Das Ausbildungsprojekt führt sie in Zusammenspiel mit der Agentur für Arbeit Bayreuth-Hof und dem Land Bayern durch.
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