Von Kulmbach bis nach München, vom Ramadan bis zum Jugendzentrum: Die Themen der mittlerweile sechs Kurzvideos des JMD-TV des Jugendmigrationsdienstes der Geschwister-Gummi-Stiftung sind breit gefächert. Ein Interview mit dem Sozialpädagogen Andreas Beyerlein: über die Auseinandersetzung der jungen Geflüchteten mit der Gesellschaft, persönliche Fortschritte und dem Wunsch, mitzugestalten.
Reporterin Ghada ist auf dem Weg durch Kulmbach, als ihr Blick auf einen Infostand fällt: „Der bayerische Landtag“. Welcher „Tag“ ist das denn bitte? Sie spricht die Menschen dort an: die Antworten sind informativ, verständlich und vor allem persönlich. Ghada und ihr Team erfahren so von der Zusammensetzung und Bedeutung des bayerischen Parlaments. Wie viele Abgeordnete sind dort Mitglied?
Was ist das JMD-TV?
Andreas Beyerlein: Das JMD-TV ist ein Projekt aus dem Jugendmigrationsdienst der Geschwister-Gummi-Stiftung. Junge Geflüchtete erstellen Videoclips, in denen sie über Dinge berichten, die für sie selbst, aber auch für alteingesessene Kulmbacher, spannend, witzig und interessant sind. Zum Beispiel über das Jugendzentrum „JUZ“ oder die Jugendwerkstatt. Seit Projektstart im Januar dieses Jahres haben sie schon sechs Videos gedreht.
Wer ist an diesen Videos beteiligt?
Andreas Beyerlein: Das Stammteam besteht aus zwei jungen Frauen und drei jungen Männern. Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern und sind sehr wissbegierig. Wenn ich etwas zur Technik, Videoschnitt oder Interviewmethoden erkläre, können sie das anschließend sehr gut umsetzen. Immer wieder kommen auch neue junge Menschen dazu und beteiligen sich. Und dann sind da natürlich noch die Interviewpartner selbst…
Wie gelingt die Themenauswahl?
Andreas Beyerlein: Natürlich gibt es viel mehr Themen als wir bearbeiten können. Die Jugendlichen bringen in den wiederkehrenden Redaktionssitzungen immer eigene Vorschläge ein. Dann schauen wir, was wir überhaupt umsetzen können und das Team stimmt demokratisch ab. Aber bis zum tatsächlichen Dreh dauert es oft eine ganze Weile und es kann auch sein, dass wir merken: Das klappt nicht.
Und dann?
Andreas Beyerlein: Wir haben zum Beispiel geplant, ein Video zur vergangenen Kulmbacher Karrieremesse in der Realschule zu drehen und hatten uns sogar schon eine Drehgenehmigung organisiert. Aber letztendlich haben sich die Jugendlichen dagegen entschieden das Video zu drehen. Es finden also auch Entscheidungsprozesse statt, es wird diskutiert und verhandelt. Die Jugendlichen lernen sich an Absprachen zu halten und sich zu überlegen, welche Informationen für die Zuschauerinnen und Zuschauer oder für sie selbst wichtig sind. Im Nachhinein waren sie mit ihrer Entscheidung unzufrieden. Es wurde ihnen erst nachdem wir nochmal intensiver darüber gesprochen haben klar, welchen Stellenwert eine berufliche Ausbildung in Deutschland hat. Darüber hatten sie sich vorher einfach noch keinen Gedanken gemacht und diese Information hat ihnen einfach gefehlt.
Man kann eben nur dann gute Entscheidungen treffen, wenn man auch weiß, worum es geht und was in der jeweiligen Situation angebracht und sinnvoll ist.
Es geht also auch darum, zu erfahren, wie die Gesellschaft in Deutschland aufgebaut ist und funktioniert?
Andreas Beyerlein: Genau, und dass eben nicht alles vorgefertigt ist, sondern man die Dinge mit Engagement und Eigeninitiative auch verändern kann. Das ist deswegen besonders wichtig, weil es in vielen Herkunftsländern autokratische oder diktatorische Regimes gibt und viele der Jugendlichen, die ich erlebe, eher resigniert auf politische Themen reagieren. Wir werden deshalb neben Kultur- und Freizeitangeboten auch weiter an politischen Themen arbeiten. Wir haben zum Beispiel ja auch etwas über den Bayerischen Landtag gelernt.
Mitten in Kulmbach…
Andreas Beyerlein: Ja, das geht, vor allem auch durch die Kontakte, die die Jugendlichen im Rahmen der Videos knüpfen. Sie befragen ja immer bestimmte Personen und Institutionen, zum Beispiel auch aus der Jugendwerkstatt, der Moschee oder Passanten. Und nicht nur die Jugendlichen lernen dabei etwas, sondern manchmal auch ihr Gegenüber… oft ist es ja der Blick durch die „vielleicht etwas andere Brille“, die Einheimische zum Reflektieren anregt.
Wie fügt sich das JMD-TV in das Konzept des Jugendmigrationsdienstes ein?
Andreas Beyerlein: Die Arbeit des JMD insgesamt ist darauf ausgerichtet den jungen Geflüchteten bei der Integration in das Arbeits- und Berufsleben zur Seite zu stehen und ihnen Abläufe und Voraussetzungen näher zu erläutern. Mit den Videos erfahren die Jugendlichen Integration auf ganz persönliche Weise. Die Kommunikation in meiner täglichen Beratungsarbeit findet manchmal auf Deutsch oder Englisch und manchmal mit Händen und Füßen statt. Der JMD arbeitet mit Netzwerkpartnern in den Bereichen Flucht/Migration, der Arbeitsverwaltung, Veranstalter von Sprachkursen oder auch Schulen zusammen und unterhält auch viele Kontakte in lokale Unternehmen und Betriebe.
Was haben die nächsten Videos zum Thema?
Ein Video wird ein Werbevideo für JMD-TV werden, um noch weitere junge Menschen ins Redaktionsteam einbringen zu können. Dadurch wollen wir noch flexibler werden und noch mehr berichten können. Es wird auch sicherlich noch Videos zu weiteren Anlaufstellen in Kulmbach geben, vor allem, wenn sie für geflüchtete junge Menschen von Bedeutung sind. Ansonsten möchte ich an dieser Stelle nur noch verraten, dass wir noch an dem ein oder anderen Highlight arbeiten: etwa, einem Video zu unserem Besuch im Bayerischen Landtag. Dranbleiben lohnt sich also.
Danke für das Gespräch.
Andreas Beyerlein ist Sozialpädagoge und Ansprechpartner für den Jugendmigrationsdienst der Geschwister-Gummi-Stiftung.
Das JMD-TV ist im Channel „Diakonie Verbund Kulmbach unter youtube.com zu finden.
Weitere Informationen zum Projekt gibt es zudem unter gummi-stiftung.de/jugendsozialarbeit/jmd/.