Schule kann Halt geben. Schule kann aber auch Belastung sein, vor allem für traumatisierte Kinder, wie sie in den Wohngruppen der Geschwister-Gummi-Stiftung leben. Eine Schulbegleitung kann einzelne Kinder im Schulalltag wieder stark machen, sich sicher fühlen lassen und befähigen die Anforderungen zu meistern. Wie man mittendrin in der Klasse ist, aber dem Kind doch den nötigen Raum gibt, erzählt Claudia Geppert.
Noch ein Schulausflug, dann das große Fest und dann ist das Schuljahr fast vorbei. Auch für Daniel*. Nach den Ferien wird er in die zweite Klasse kommen und doch wird auch dieser Übergang nochmal „neu“: Fortan wird er ohne Schulbegleiterin den Alltag in der Klasse erleben - „und meistern“, ist sich seine Schulbegleiterin sicher. In den vergangenen Monaten hat sie sich mehr und mehr im Hintergrund aufgehalten, beobachtet, nur noch selten in Situationen eingegriffen.
Im Herbst wird die Diplom-Sozialpädagogin, wie das restliche Team der Schulbegleitungen der Geschwister-Gummi-Stiftung, mit einem neuen Kind den Weg in die Schule antreten. Insgesamt fünf Frauen und Männer begleiten dabei Kinder aus den Wohngruppen, die schon früh Traumatisches erlebt haben. Nicht immer ist ihnen der Schulbesuch nach ihrer Ankunft im „neuen zu Hause“ sofort möglich. Zu schwer belasten die Erfahrungen der vergangenen Jahre und zu schwer wiegt die existenzielle Unsicherheit. Die Strukturen, der Leistungsanspruch und die Angst zu Scheitern münden so manchmal in Schulängste. Andere Kinder wiederum erleben gerade den Schullalltag als „etwas Normales“, von dem sie in ihrem Leben bisher wenig spüren durften. „Das ist von Kind zu Kind unterschiedlich“, weiß Udo Dirks, Bereichsleitung der Heilpädagogisch-therapeutischen Wohngruppen, der selbst auch schon als Schulbegleiter tätig war. „Und es kommt vor, dass ein Kind zunächst alleine die Schule besucht - mit dem Gedanken, dort wo es möglich ist, ein Stück „Normalität“ erleben zu können – und dann falls notwendig, zu einem späteren Zeitpunkt eine Schulbegleitung erhält, weil es dann doch notwendig wird.“
Schulbegleiterinnen wie Claudia Geppert sind für das Kind da, um die Teilhabe am Unterricht zu ermöglichen. Sie arbeiten eng mit den Lehrkräften und dem Jugendamt zusammen. Damit der Start in den Schultag gut gelingt, begleitet die Schulbegleitung das Kind schon vor dem Unterricht ins Klassenzimmer. Mit Beginn des Unterrichts verbringt sie die Zeit nahe am Kind, ist eine verlässliche und bekannte Vertrauensperson. „Das Kind hat die Sicherheit: Es ist nicht alleine.“ Sie beobachtet, sie erklärt, sie reflektiert, sie begleitet. Manchmal ist es auch erforderlich, den Unterricht gemeinsam mit dem Kind zu verlassen. Ging dem etwa ein vermeintliches Scheitern des Kindes voraus, erinnert Claudia Geppert im geschützten Rahmen an die besonderen Stärken des Kindes. Einige von ihnen können in der Schule sogar besonderen Ausdruck finden, etwa im Kunstunterricht oder Sport. „Ich vermittle aber auch: Auch, wenn man eine Sache nicht so gut kann wie eine andere, ist nicht gleich alles schlecht.“ Die Stärkung des Selbstwertgefühls der Kinder spielt eine wichtige Rolle.
Auch im sozialen und emotionalen Bereich kann eine Begleitung unterstützen: Nicht immer können die Kinder Konflikte auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen richtig lösen. So kann es zu Missverständnissen, Unsicherheit und unangemessenen Reaktionen kommen. „Wir überlegen dann gemeinsam und im geschützten Rahmen mit dem Kind, welche Möglichkeiten es gibt, den Streit zu bewältigen, schätzen die Situation des Gegenübers und die eigene ein.“ Reflektieren, Trost spenden, aufbauen, Szenen nachstellen, kurz Sport machen, erstmal die Enttäuschung rauslassen und vieles mehr: „So viele Gefühle wie es gibt, so viele Zugänge gibt es zum jeweiligen Problem des Kindes“, so die Schulbegleiterin.
Ist sie also eine Aufpasserin? Oder ein Schatten? Nein. Claudia Geppert und ihre Kolleginnen und Kollegen sind wohl der „Anker“, den viele Kinder für einen Lebensabschnitt brauchen, um mit ihren individuellen Erfahrungen ein Stück Normalität erleben zu können. Die anderen Kinder in der Klasse akzeptieren Claudia Geppert nicht nur, sie wird gar manchmal auch um Unterstützung gebeten. Bei Spielen etwa hält sie sich am Rand auf, erinnert ihren Schützling gelegentlich an die Regeln, bleibt aber im Hintergrund. Bei Unterstützungsbedarf ist sie stets präsent. Die Klasse weiß, sie gehört zu „ihrem“ Kind dazu. Das ist aber keineswegs hinderlich. Sie schließen dennoch oder gerade deswegen, weil sie die zunehmende Sicherheit des Kindes durch seine Begleitung spüren, Freundschaften und Kontakte.
Die Balance zwischen Aktivität und Passivität erfordert für Schulbegleitungen pädagogische Profession, Geduld, Empathie und Gespür und ist ein Prozess. Denn das Ziel besteht darin, die Kinder wieder stark und selbstständig für den Schulalltag zu machen. Sie erleben, dass die Schule, das Lernen, die Erfolge und Freunde auch Stabilität im Leben geben können.
Im Anschluss an die Schulbegleitung sind oft die Jugendsozialarbeit der Schulen sowie die Schulpsychologen weiterhin Ansprechpartner. Denn: Die Konflikte und Ängste der Kinder werden nicht weniger, nur ihr Umgang damit besser. Dank der Schulbegleitungen und vielen anderen Wegbegleitern.
*Name und Szene fiktiv
Weitere Informationen unter gummi-stiftung.de